Freitag, April 07, 2006

Wer ist ein Christ? Wer nicht? - Zum Fünften

Man kann es auf einen noch kürzeren Nenner bringen:
Christ ist, wer guten Willens ist. Der gute Wille ist das Ausschlaggebende. Wer guten Willen hat, kann (objektiv, materiell) noch so sehr auf Dunkel- und Irrwegen gehen, er strebt unweigerlich Christus, dem Lichte, dem Himmel zu. Wer bösen Willen hat hingegen, kann (physisch) noch so sehr in Christi Nähe weilen, er driftet ab, gleitet weg von Ihm, vom Heil. Darum sangen die Engel, „die große himmlische Heerschar" in ihrem Weihnachts-Gotteslob vor den staunenden Hirten: „Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind!" „Et in terra pax hominibus bonae voluntatis". ALLE Menschen, die guten Willens sind, werden also von den Himmelsboten mit dem Friedensgruß seitens GOTTES beehrt. Das heißt nichts anderes, als daß GOTT diese Menschen als seine „aktuellen" Kinder betrachtet, ob sie nun zum „Auserwählten Volk" gehören oder nicht, ob sie Heiden sind oder Juden, ob sie einem „götzendienerischen Volk" angehören oder nicht, ob sie eine richtige Gottesvorstellung haben oder nicht, ob sie unwissend und voller Vorurteile sind oder nicht, usw. Wichtig und wesentlich ist, daß sie guten Willen haben. Nicht der „Ausgangsort" und „flüchtige Standort" ist also maßgeblich, sondern die (Aus-)Richtung, die jemand hat. Guter Wille ist Aufbruch zu dem, wozu und wofür wir geschaffen sind, ist Aufstieg, ist Streben nach oben, ist Fortschreiten zum Besseren, ist Annäherung an den Bestimmungsort. Böser Wille ist Abstieg zu den Tiefen, ist Drang nach unten, ist Hang und Gang zum Schlechteren, ist Entfernung vom Ziel. „Selig, die Hunger und Durst haben nach der Gerechtigkeit...; selig, die ein reines Herz haben..." Guter Wille ist immer Verlangen nach der Gerechtigkeit, d.h. nach der Ordnung GOTTES. Und diese Ordnung ist Klarheit, ist Reinheit von allem „Unstimmigen".
„Der Mensch sieht aufs Äußere, der Herr aber schaut ins Herz." (I Sm 16,7) „Die Gesinnung gibt den Ausschlag, ob eine Gabe reich ist oder dürftig, sie gibt den Dingen ihren Wert." (Ambrosius) „Auf der Waage der göttlichen Gerechtigkeit werden die Gaben nicht nach ihrer Menge, sondern nach dem Maße der dabei gezeigten Gesinnung gewogen." (Leo d. Gr.) „Was du (tun) willst und nicht (tun) kannst, das rechnet dir Gott als geleistet an." (Augustinus) In diesem Sinne können wir sogar noch weiter gehen und sagen: „Was du sein und tun würdest, wenn du erführest, erkänntest und dann wolltest, das rechnet dir Gott als erreicht und geleistet an." „Gott fragt nach der Wurzel, nicht nach der Blume." (Augustinus) „Gott wägt die Handlung mehr nach der Meinung ab, in der sie geschieht, als nach der Größe des verrichteten Werkes." (Nachfolge Christi) Gott veranschlagt auch die allgemeine, grundsätzliche, dauernde Disponiertheit mehr als die ausdrücklich gefaßte Partikular-Meinung. „Willst du wissen, ob dein Tun, sei es inneres oder äußeres, göttlich ist oder nicht und ob Gott es wirkt in dir: sieh zu, ob Gott das Ziel in deinem Denken ist; wenn ja, so ist dein Wirken gut. (Eckehart) „Alles, was zum Ziel bezogen ist oder der Richtung auf das Ziel entspricht, ist eben dadurch gut. Alles, sage ich, ist gut durch die Ordnung auf Gott als das letzte Ziel." (Derselbe)
Was aber ist konkret „guter Wille"? Guter Wille ist das aufrichtige Wollen (Anstreben) des als (sittlich) gut, als ein (sittlich) Gutes, als das Gute Erkannten. Guter Wille ist die ständige Bereitschaft und Entschlossenheit, das eigene Verhalten und Handeln am eigenen Gewissen auszurichten, mit dem Gewissen in (völlige) Übereinstimmung zu halten und zu bringen. Böser Wille ist logischerweise das Gegenteil davon. Böser Wille ist das mutwillige, vorsätzliche Nicht-Wollen des als moralisch Gesollten Erkannten. „Wenn der Wille das höhere Gut darangibt und sich einem niederen zuwendet, wird er böse; nicht weil der Gegenstand, zu dem er sich wendet, schlecht ist, sondern weil die Hinwendung selbst verkehrt ist." (Augustinus) „Nie ist etwas nützlich, wenn es nicht gleichzeitig sittlich gut ist. Und nicht, weil es nützlich ist, ist etwas sittlich gut, sondern weil es sittlich gut ist, ist es auch nützlich." (Cicero)
„Wenn die Heiden, die das Gesetz nicht haben, aus natürlichem Antrieb die Forderungen des Gesetzes erfüllen, so sind sie, weil sie das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz. Sie beweisen, daß der Kern des Gesetzes in ihr Herz geschrieben ist. Ihr Gewissen bezeugt es ihnen durch die Gedanken, die sie teils anklagen, teils verteidigen, am Tage, da Gott das verborgene Tun der Menschen nach meinem Evangelium durch Jesus Christus richten wird." (Röm 2,14-16) „Zwei Lehrer sind uns von Anfang an mitgegeben, die beide, auch ohne Worte, die Menschen unterweisen: die geschaffene Welt und das eigene Gewissen." (Chrysostomus) „Wie wir unsere erste Kenntnis der äußern Welt durch die Sinne haben, so beginnt unser Lernen von Gott dem Herrn durch das Gewissen ... Hier sind es die sich immer wiederholenden Erfahrungen des Gewissens, die uns ganz unaufdringlich den Willen eines Überlegenen nahebringen und uns zur immer deutlicheren Überzeugung von dem Dasein eines höchsten Gesetzgebers führen, von dem die einzelnen Mahnungen und Befehle ausgehen." (Newman)
Ein Missionar fragte einen alten Heiden in Indien: „Wenn euch jemand euer Geld stiehlt, begeht der eine Sünde?" „Natürlich!" „Und wenn jemand einen andern umbringt, ist das eine Sünde?" „Gewiß!" So ging der Pater die meisten Gebote durch und sagte dann: „Ihr habt alle die Gebote Gottes gewußt, wer hat euch denn die gelehrt?" „Gott." „Gott hat aber doch noch nie zu euch gesprochen." Da wies der Mann auf seine Brust: „Da drin, da drin!" Es war ein verachteter Paria, der nicht lesen und schreiben konnte!
Christ ist also jeder, der natürlich gut ist. Auch wenn er von Christus nichts weiß. Weil das Natur-Gesetz vollends übereinstimmt mit Christi offenbartem Gesetz. Weil er nur dann „natürlich gut" ist, wenn er die Botschaft von Christus sofort annehmen würde, wenn er sie (richtig) erführe. Denn: „Die heilige Mutter Kirche hält fest an der Lehre: Der Mensch kann Gott, den Ursprung und das Endziel aller Dinge, durch das natürliche Licht seiner Vernunft aus den geschaffenen Dingen mit Gewißheit erkennen. «Denn das Unsichtbare an ihm erschaut der denkende Verstand seit Erschaffung der Welt in seinen Werken.» (Röm 1,20) Indes hat es der Weisheit und Güte Gottes gefallen, Sich selbst und die ewigen Ratschlüsse Seines Willens dem Menschengeschlecht auch auf einem andern, dem übernatürlichen Weg zu offenbaren." (I Vaticanum, de fid. cath. 2,12 (D 1785) Aber eben: „Viele, die draußen (außerhalb der heilsnotwendigen Kirche) zu sein scheinen, sind drinnen; viele, die drinnen zu sein scheinen, sind draußen." (Augustinus) „Der vielberufene Satz («Außer der Kirche kein Heil») bedeutet, daß in der gegenwärtigen Heilsordnung alle Erlösungsgnaden nur mit Hinblick auf Christus und Seine wahre Kirche gespendet werden, daß somit alle, die gerettet werden, wenigstens innerlich (voto, d.h. durch ihre Bereitschaft, alles zu tun, was Gott verordnet hat) zur Kirche Christi gehören müssen. Von der äußern Zugehörigkeit zur katholischen Kirche gilt der Satz nur relativ, d.h. für alle diejenigen, die zur Erkenntnis der Wahrheit und Heilsnotwendigkeit dieser Kirche gelangt sind." (Pribilla) (P.O.S.)

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