Montag, Mai 14, 2007

Enzyklika Papst Gregor's XVI. "Mirari Vos" vom 15. August 1832

Vorwort zur Enzyklika Gregors' XVI. vom 15. August 1832 (über den Liberalismus und religiösen Indifferentismus):

Unsere Leser sind wohl größtenteils vertraut mit der Erscheinungsgeschichte von Paris 1830, Rue du Bac. Die inzwischen heiliggesprochene Seherin Katharina Labouré wurde am 19. Juli 1830 um Mitternacht in der Klosterkirche von ihrem Schutzengel zur Kirche geführt, wo sie Maria im Chore sitzend schaute. Maria versprach der Klostergemeinde Schutz in den kommenden Revolutionen. Die zweite Erscheinung war am 27. November 1830 in der Kapelle: Maria auf der Erdkugel mit der Schlange, mit strahlenden Händen. Ihr Auftrag: die «wundertätige Medaille» prägen zu lassen. Im Dezember 1830 wiederholte Maria diese Forderung. 1840, also 10 Jahre später, erschien die Gottesmutter dann Schwester Justine Bisqueyburu desselben Klosters an der Rue du Bac. Sechs Erscheinungen fanden statt: die erste in Paris, dann in Blangy, dann (1841 - 1846!) in Versailles. Maria trug in ihren Händen ihr flammendes Herz! Es ging um die Einführung des Grünen Skapuliers zu Ehren des Unbefleckten Herzens Mariens. Und noch 6 Jahre später, also 1846, La Salette!
Um nun unseren Lesern einmal Gelegenheit zu geben, sich auch das heilsgeschichtliche Geschehen jener Zeit etwas detaillierter zu vergegenwärtigen, bringen wir im nachstehenden den Text der Enzyklika Papst Gregors XVI. vom 15. August 1832. Dieses Dokument ist für uns aber auch 175 Jahre «darnach» lesenswert, weil praktisch ALLES darin Ausgesagte uneingeschränkt weiterhin Gültigkeit hat.

Kreisschreiben des Heiligen Vaters
an alle Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe und Bischöfe
Gregorius XVI., Papst
(Übersetzt von Herrn Chorherrn Geiger)

Ehrwürdige Brüder!
Gruß und apostolischen Segen!
Es könnte Euch, Unseres Erachtens, befremden, von Uns, auf deren schwachen Schultern die Fürsorge für die ganze Kirche liegt, noch kein Schreiben erhalten zu haben; was doch ein schon von den ersten Zeiten eingeführter Gebrauch war, und was selbst die wohlwollende Liebe, die Wir zu Euch tragen, gefordert hätte. Freilich war dieses Unser heißester Wunsch, Euch alsogleich Unser Herz zu eröffnen, und in geistiger Mitteilung in jenem Worte mit Euch zu sprechen, mit welchem Wir in der Person des heiligen Petrus beauftragt sind die Brüder zu stärken. Allein gleich in den ersten Augenblicken Unseres Pontifikates, wie Ihr wohl wisset, hat Uns ein solcher Sturm der Bedrängnisse und Übel in das hohe Meer hinausgeschleudert, daß Uns die schwarze Verschwörung gottloser Menschen, falls die Hand Gottes nicht mit Kraft eingetreten wäre, zu Euerm Herzeleid in die Tiefe versenkt hätte. Unser Herz würde sich empören, wenn Wir Euch alle die traurigen und gefährlichen Ereignisse erzählen, und so die schmerzhafte Wunde, die sie Uns geschlagen, wieder aufritzen wollten. Wir müssen vielmehr dem Vater alles Trostes danken, daß Er die Aufrührer zersprengt, Uns der augenscheinlichen Gefahr entrissen und den wogenden Sturm geebnet hat, damit Wir ohne Furcht wieder freier atmen können. Unser erster Entschluss war sonach, Euch zur Beruhigung Israels Unsere Ratschlüsse mitzuteilen: allein Wir waren, um die öffentliche Ordnung wieder herzustellen, mit so ungeheuren Sorgen überlastet, daß Wir diesen Unsern Willen nicht sogleich ins Werk setzen konnten.
Unterdessen wurden Wir das zweitemal zum Stillschweigen gezwungen, der Verwegenheit der Verschwörer wegen, welche die Fahne des Aufruhrs aufs Neue schwangen. Da die Verwegenheit dieser Leute und ihre ungezähmte Wut durch fortwährende Ungestraftheit und Unsere entgegenkommende Nachsicht nicht nur nicht beschwichtigt wurde, sondern nur größere Nahrung gewann; waren Wir zu Unserem eigenen Leidwesen gezwungen, Uns der von Gott Uns verliehenen Macht zu bedienen und sie mit der Strafrute niederzuschlagen: wodurch es ersichtlich wird, wie Unsere Wachsamkeit täglich lästiger in Anspruch genommen wird.
Da Wir aber von der Lateran-Kirche, nach dem Herkommen und der Vorschrift der Vorfahren, Besitz genommen, was Wir aus den nämlichen Ursachen so lange verschoben: so eilen Wir ohne Verzug zu Euch, ehrwürdige Brüder, und senden Euch gegenwärtiges Schreiben, als Zeugen Unseres bereitwilligen Herzens gegen Euch; Wir senden es aber an dem freudigen Tage, an dem die heiligste Jungfrau triumphierend in den Himmel aufgenommen ward, damit sie, die wir in den größten Bedrängnissen als unsere Schützerin und Retterin erfahren haben, Uns auch bei Verfassung dieses Schreibens an Euch gütig beistehen, und durch ihren himmlischen Anhauch unserem Geiste solche Ratschläge eingeben möge, welche der christlichen Herde ganz vorzüglich heilsam werden sollen.
Zwar kommen Wir zu Euch mit betrübtem und kummervollem Herzen, überzeugt, daß auch Ihr, gemäß Eures Eifers für die Religion, in Ansehung der gefahrvollen Tage tief bekümmert seid. Wir können mit Wahrheit sagen: es sei die Stunde der Mächte der Finsternis gekommen, die Kinder der Auserwählung, wie den Weizen, zu sieben. Wahrhaft steht das Land jämmerlich, und verdirbt...; es ist entheiligt von seinen Einwohnern: denn sie übergehen das Gesetz und ändern die Gebote, und lassen fahren den ewigen Bund.
Ehrwürdige Brüder! Wir sprechen von Dingen, die selbst vor Euren Augen vorüber gehen, und die Ihr eben darum mit Uns beweinet. Die Bosheit, das Wissen, welches unverschämt geworden, und die Freiheit, die in Ungebundenheit ausgeartet, erheben freudig ihre Häupter. Die heiligsten Einrichtungen werden verachtet; die Majestät der Gottesverehrung, die eine so große Kraft hat und dem Menschen so unentbehrlich ist, wird von verworfenen Menschen mißkannt, geschändet, verspottet. Die gesunde Lehre wird entstellt, und dafür werden Irrtümer aller Art ganz frech ausgestreut. Die unverschämte Zunge der Bösewichte läßt nichts unangefochten, weder die Gesetze der heiligen Religion, noch die Rechte, noch die Anordnungen und Disziplinarbeschlüsse. Diesen Unseren Römischen Stuhl des heiligen Petrus, auf welchen Christus das Fundament der Kirche gelegt hat, bekämpfen sie hartnäckig, und suchen das Band der Einheit täglich lockerer zu machen und aufzulösen. Sie bestreiten das göttliche Ansehen der Kirche, zertreten ihre Rechte, unterwerfen sie irdischen Vernünfteleien, und suchen sie auf die unbilligste Weise den Völkern verhaßt zu machen, um sie unter das Joch der schändlichsten Sklaverei zu beugen. Den Bischöfen wird der schuldige Gehorsam versagt, und ihre Rechte werden zernichtet. Neue, ungeheuer widersinnige Meinungen ertönen auf den Lehrstühlen der Akademien und Gymnasien, wodurch sie nun nicht mehr im Verborgenen und auf Schleichwegen den katholischen Glauben angreifen, sondern ganz offenbar den unheiligen und fürchterlichen Krieg gegen ihn führen.
Die Herzen der Jünglinge werden durch die Grundsätze und Beispiele ihrer Lehrer verdorben, wodurch die Religion unersetzlichen Schaden leidet, und die schändlichste Sittenlosigkeit verbreitet wird. Wo demnach der Zaum der Religion abgeworfen wird, durch welche allein die Reiche aufrecht erhalten werden, und in welcher jede Macht ihre Weihe und Kraft erhält: da sehen wir, wie die öffentliche Ordnung zusammenstürzt, die Hohheiten geschändet werden, und sich eine gänzliche Umänderung der gesetzmäßigen Macht festsetze. Die Quelle aller dieser Übel müssen wir in der Gesellschaft der Verschwörer aufsuchen. Diese Gesellschaften sind gleichsam der Pfuhl, wo alleKetzereien, all das gottlose Sektenwesen, alle Laster und Gotteslästerungen, mit allem übrigen Auswurf, wie in eine unlautere Grube zusammenlaufen.
Ehrwürdige Brüder, diese und andere, vielleicht noch größere Übel, die Wir kürzehalber übergehen, und die Ihr selber recht gut kennt, müssen Uns, die Wir, auf den Stuhl des Apostelfürsten gesetzt, vorzüglich vom Eifer für das allgemeine Haus Gottes durchglüht sein sollen, mit bitterem und anhaltendem Schmerz erfüllen. Allein da Wir jenen Platz inne haben, auf dem es nicht genug ist, das unzählbare Ungemach zu beweinen, wenn wir nicht zugleich Alles anwenden, es nach Kräften zu entfernen: so wenden Wir Uns zu Euch, ehrwürdige Brüder, und nehmen Euren Glauben in Anspruch und Eure Sorge für die Herde des Herrn. Eure bewährte Tugend, Eure Religion und ausgezeichnete Klugheit, Euer emsiger Eifer werden Uns Mut verleihen, und in dieser harten Lage der Dinge, die Uns betrüben müssen, freudigen Trost gewähren. Es ist Unsere Sache, die Stimme zu erheben und Alles anzuwenden, damit der Weinberg nicht von den Schweinen des Waldes zerstört, noch die Herde von den Wölfen zerrissen werde: es steht Uns zu, die Schafe nur auf jene Weiden zu treiben, wo gesunde Nahrung zu finden ist, und wo sich nicht einmal eine Spur einer schädlichen Nahrung zeigt. Es sei weit von uns entfernt, liebste Brüder, daß die Hirten ihre Pflicht versäumen und aus Furcht die Schafe verlassen, oder daß sie, sorglos über die Herde, im Müßiggange und in Untätigkeit schlummern, jetzt, da uns solche Übel bedrücken, und solche Gefahren drohen. Wir wollen demnach in Einheit des Geistes unsere gemeinsame Sache, oder vielmehr die Sache Gottes, ergreifen, und gegen die allgemeinen Feinde für das Heil des ganzen Volkes mit gemeinsamer Sorge wachen und mit vereinter Kraft arbeiten.
Dieses werdet Ihr vorzüglich leisten, wenn Ihr, gemäß Eurer Pflicht, auf Euch und auf die Lehre acht habt, und wohl in Eurem Gemüte überlegt, wie jede Neuerung die ganze Kirche verletze; und daß, wie der heilige Papst Agatho ermahnt: von Allem, was einmal regelmäßig entschieden worden, nichts vermindert, nichts verändert, nichts hinzugesetzt werden, sondern die Worte sowohl, als der Sinn davon unversehrt erhalten werden sollen.
Es muß sonach die Einheit fest bestehen, die auf dem Stuhle des hl. Petrus, wie auf ihrem Fundament, beruht, damit, wie von diesem Stuhle die Rechte der ehrwürdigen Gemeinschaft in alle Kirchen ausströmen, der nämliche Stuhl für alle die Schutzmauer, der Sicherheitspunkt, der den Wellen unzugängliche Hafen und Schatz unzählbarer Güter sei. Damit Ihr also die Frechheit derjenigen zurückschlaget, die entweder die Rechte dieses heiligen Stuhls zu entkräften, oder die Kirchen von der Verbindung mit diesem Stuhle, auf welchem sie ruhen und gedeihen, zu entreißen sich bemühen: so verkündet mit Macht das innigste Zutrauen zu diesem Stuhle und aufrichtige Verehrung, und ruft mit dem hl. Cyprian: «Derjenige soll sich nicht einbilden, in der Kirche zu sein, der den Stuhl Petri verläßt, auf welchem die Kirche gegründet ist.»
Euer größtes Bestreben und Eure immerwährende Wachsamkeit soll dahin gerichtet sein, daß Ihr die Hinterlage des Glaubens rein erhaltet, da sich die Gottlosen so sehr zusammen verschworen haben, um, Wir müssen es mit Betrübnis sagen, diese Hinterlage zu plündern und zu vernichten. Es sollen sich Alle erinnern, daß das Urteil über die Lehre, in welcher die Völker unterrichtet werden müssen, so wie auch die Regierung und Leitung der ganzen Kirche dem Römischen Papste zustehe, dem von Christus, unserem Herrn, die volle Macht gegeben worden ist, die ganze Kirche zu weiden, zu regieren und zu leiten, wie es die Väter des Conziliums von Florenz ausdrücklich erklärt haben. Die Pflicht der Bischöfe aber ist: daß jeder Bischof mit aller Treue dem Stuhle Petri anhange, die Hinterlage heilig und unverbrüchlich bewahre, und die ihm anvertraute Herde weide. Die Priester aber sollen den Bischöfen unterworfen sein, die von ihnen als geistliche Väter angesehen werden müssen, wie der hl. Hieronymus sagt. Sie sollen niemals vergessen, daß es ihnen in den ältesten Canones untersagt ist, einen Kirchendienst auszuüben, und sich das Lehr- oder Prediger-Amt anzumaßen, «ohne den Ausspruch des Bischofs, dessen Treue das Volk anvertraut ist, und für dessen Seelen Rechenschaft von ihm gefordert wird.» Gewiß ist es endlich auch unstreitig, daß diejenigen, die gegen diese festgesetzte Ordnung etwas unternehmen, den Zustand der Kirche, so viel an ihnen ist, verwirren.
Es ist ferner ein Verbrechen und jener Ehrfurcht, mit welcher wir die Gesetze der Kirche aufnehmen müßen, gänzlich entgegen, wenn jemand aus ungeregelter Meinungswillkür die von der Kirche festgesetzte Disziplin, welche die Vorschriften für den Gottesdienst, die Sittenregeln und die Rechte der Kirche enthält, mißbilligen, sie als gewissen Rechten der Natur widerstrebend, oder als mangelhaft und unvollkommen bezeichnen, oder der weltlichen Macht sie unterwerfen wollte.
Da es aber (damit Wir Uns der Worte der Tridentinischen Väter bedienen) offenbar ist: «Die Kirche sei von Jesus Christus selbst und Seinen Aposteln unterrichtet worden, und werde noch täglich vom heiligen Geiste, der ihr alle Wahrheit eingibt, fortwährend belehrt»; so ist es eine wahre Ungereimtheit und ein Verbrechen gegen sie, wenn man ihr eine Wiederherstellung oder Wiedergeburt aufbringen will; als wäre es notwendig, dadurch ihre Reinheit und ihr Wachstum zu befördern: eben als wenn man glauben könnte, sie sei dem Abfalle, der Verdunkelung oder anderen dergleichen Gebrechen unterworfen. Durch diesen Kunstgriff suchen die Neuerer ihre menschlichen Meinungslehren zu begründen, woraus gerade erfolgen müßte, was der hl. Cyprian so sehr verabscheut, nämlich, daß die Kirche, die göttlich ist, menschlich werde. Möchten doch diejenigen, welche solche Gesinnungen hegen, überlegen, wie es nicht einem Privatmanne zukomme, sondern, nach dem Zeugnis des heiligen Leo, in den Befugnissen des Römischen Papstes liege, in den Kirchengesetzen zu dispensieren, über die von den Vätern gemachten Beschlüsse zu entscheiden, und in dieser Weise, wie der heilige Gelasius schreibt: «Die kanonischen Beschlüsse genau zu vergleichen, die Vorschriften der Vorgänger abzumessen, und mit großer Überlegung zu mäßigen, was nach den Zeitumständen für Wiederherstellung der Kirchen eine Änderung zu erheischen scheint.»
Vorzüglich aber wollen Wir Eure Standhaftigkeit in der Religion aufwecken in Ansehung der schändlichsten Verschwörung gegen den Zölibat der Geistlichen, die, wie Ihr wisset, täglich weiterhin sich verbreitet; indem selbst einige Geistliche, uneingedenk ihres Standes und ihrer Würde, gemeinsam mit den verworfensten Zeitphilosophen, verleitet von den Lockungen der Wollust, so weit sich in ihrer Ungebundenheit verloren haben, daß sie an einigen Orten öffentliche und wiederholte Ansinnen an ihre Fürsten machten, um diese heiligste Disziplin umzustoßen. Es eckelt Uns, über diese schmachvollen Umtriebe Euch noch länger zu unterhalten, und Wir überlassen Euch, mit Zutrauen auf Eure religiöse Gesinnung, die Sorge, daß Ihr, wie es die heiligen Canones vorschreiben, dieses höchst wichtige Gesetz, gegen welches die Pfeile wollüstiger Menschen gerichtet sind, mit aller Kraft unversehrt zu erhalten, zu retten und zu schützen Euch bemüht.
Auch soll unsere gemeinschaftliche Sorge auf die ehrwürdige Ehe der Christen gerichtet sein, die der hl. Paulus ein großes Sakrament in Christus und der Kirche nennt, damit man gegen ihre Heiligkeit und ihr unauflösliches Band keine verkehrten Begriffe nähre oder einführe. Schon unser Vorfahre, Pius VIII. glücklicher Gedächtnis, hat Euch dieses in seinem Schreiben dringend empfohlen, und dennoch haben sich wieder neue Umtriebe dagegen gezeigt. Das Volk muß sonach fleißig belehrt werden, wie eine Ehe, die einmal gültig geschlossen ist, niemals mehr könne getrennt werden, und wie Gott selbst den Verheirateten ein immerdauerndes gesellschaftliches Zusammenleben, und einen Verwandschafts-Verband aufgelegt hat, den nur der Tod allein auflösen kann. Sie sollen sich erinnern, die Ehe werde als etwas Heiliges angesehen, und sei somit der Kirche unterworfen: sie sollen also die von der Kirche darüber verordneten Gesetze vor Augen haben, denselben heilige und genaue Folge leisten. Von Beobachtung dieser Gesetze hängt die Kraft, Stärke und gesetzmäßige Verbindung ab. Sie sollen sich auf alle Weise hüten, etwas zuzulassen, was den heiligen Canones und Konzilbeschlüssen entgegen ist, und versichert sein: jene Ehen werden unglücklich ausfallen, welche entweder gegen die Disziplin der Kirche, oder ohne sich vorher mit Gott ausgesöhnt zu haben, oder aus bloßer Fleischeslust geschlossen werden, ohne daß die Brautleute Rücksicht nehmen auf das Sakrament und auf die Geheimnisse, die in demselben angedeutet werden.
Wir kommen nun zur zweiten Ursache überaus großer Übel, von denen, zu Unserem Leidwesen, gegenwärtig die Kirche bedrückt ist, nämlich zur Gleichgültigkeit in der Religion, oder zu jener verderblichen Meinung, die von verworfenen Leuten mit List allenthalben verbreitet worden ist: man könne, wenn man übrigens die Sitten eines ehrlichen Mannes befolge, in jedem Glaubensbekenntnis das ewige Seelenheil erlangen. Diesen schändlichen Irrtum könnt Ihr in einer so offenbaren und überzeugenden Sache mit leichter Mühe von Euren Völkern abwenden. Der Apostel Paulus ermahnt uns: es sei nur Ein Gott, Ein Glaube, Eine Taufe. Diejenigen, welche sich einbilden, die Pforte des Himmels stehe jedem Religionsbekenntnis offen, soll doch gewiß eine Furcht anwandeln, wenn sie den Ausspruch des Erlösers reiflich erwägen: Wer nicht mit Christus ist, der ist gegen Christus; und derjenige zerstreue sich selber zu seinem eigenen Unglück, der nicht mit ihm sammelt; «deßwegen werden sie ungezweifelt ewig zu Grunde gehen, wenn sie den katholischen Glauben nicht festhalten, und ihn nicht gänzlich und unverletzt beobachten.» Sie mögen auf den hl. Hieronymus achten, der, als die Kirche durch eine Trennung in drei Teile gespalten war, fest stund, und als ihn jeder auf seine Seite zu ziehen versuchte, nur immer ausrief: «Der Meinige ist nur jener, der mit dem Stuhle Petri vereinigt ist.» Sollte sich auch Jemand damit schmeicheln: auch er sei im Wasser wiedergeboren; so würde ihm Augustinus recht passend antworten: «Auch der vom Weinstock abgerissene Zweig hat noch die Form des Weinstockes; allein was kann ihm die Form helfen, wenn er das Leben nicht mehr aus der Wurzel erhält?»
Aus dieser schlammigen Quelle der Gleichgültigkeit entspringt jener ungereimte, irrige Satz, oder vielmehr jener Unsinn, daß man die Freiheit des Gewissens behaupten und verteidigen müsse. Den Weg zu diesem pestartigen Irrtum bahnt jene unmäßige Freiheit der Meinungen, welche zum Schaden der Religion und des Staates sich weit ausbreitet; indem Einige auf die unverschämteste Weise vorgehen, die Religion ziehe Nutzen davon. Allein ist die Freiheit des Irrtums nicht der böseste Tod der Seele, wie Augustinus sagt? Denn wenn jeder Zaum, der den Menschen im Geleise der Wahrheit zurückhält, abgeworfen ist, da ohnehin die Natur hiezu so sehr geneigt ist: so müssen wir ja bekennen, der Brunnen des Abgrundes habe sich wahrhaft eröffnet, aus welchem Johannes einen Rauch aufsteigen und Heuschrecken hervorgehen sah, die die Erdeverwüsteten. Daraus entsteht jene Verkehrtheit der Gesinnungen, jenes sich so sehr verschlimmernde Verderbnis der Jünglinge; daher im Volke die Verachtung heiliger Dinge und der heiligsten Gesetze; mit einem Worte, die alle Übel übersteigende Pest unter dem Gemeinwesen; indem uns die Erfahrung schon von den ältesten Zeiten her belehrt: wie Staaten, in denen Reichtum, Macht und Ruhm blühen, durch unmäßige Meinungsfreiheit, Ungebundenheit der Rede und Neuerungssucht zusammenfielen.
Hieher gehört auch die unselige und niemals genug zu verabscheuende und verwerfliche Freiheit der Presse, wodurch Schriften aller Art unter das Volk verbreitet werden, und welche von Vielen mit solcher Wut gefordert wird. Es schaudert Uns, ehrwürdige Brüder, wenn wir sehen, wie wir gleichsam überschüttet werden von den abenteuerlichsten Lehren, oder vielmehr von ungeheuren Irrtümern, die weit und breit ausgestreut werden in einer Flut von Büchern und Büchlein und Schriftchen, die zwar klein an der Zahl der Blätter, aber ungemein groß sind an Bosheit, woraus der Fluch über die Erde sich ausgegossen hat, den Wir beweinen. Das Schmerzlichste ist, daß es Leute gibt, die in ihrer Unverschämtheit so weit gekommen sind, daß sie hartnäckig behaupten: dieser Strom von Irrtümern könne ja wieder gut gemacht werden, wenn ein Buch erscheinen würde, welches in diesem Sturme der Gottlosigkeit die Religion und Wahrheit in Schutz nähme. Allein es ist ja das höchste Unrecht und gegen alle Gesetze, gewisses und größeres Übel verüben, in der unsicheren Hoffnung, es könne etwas Gutes daraus entspringen. Ist es möglich, daß ein vernünftiger Mensch sagen könne: man solle Gift frei ausstreuen, öffentlich verkaufen, herumtragen, sogar hineintrinken; indem es ein Mittel gibt, durch dessen Gebrauch man glaublich dem Tode kann entrissen werden?
Allein, um die Ansteckung durch schlechte Bücher zu beseitigen, gab es in der Kirche, und schon zu der Apostel Zeiten, eine ganz andere Einrichtung; wir lesen, man habe eine große Menge böser Bücher verbrannt. Man darf nur die Gesetze lesen, die der V. Lateranensische Kirchenrat über diese Sache aufgestellt, und die Konstitution, die Leo X. glücklicher Gedächtnis, Unser Vorfahre, darüber herausgegeben hat: «damit das, was zur Vermehrung des Glaubens und zur Beförderung der schönen Künste heilsam ist erfunden worden, nicht zum Gegenteil verkehrt werde, und zum Schaden der Gläubigen Jesu Christi angewendet werde». Das Nämliche ließen sich auch die Väter zu Trient angelegen sein; indem sie, diesem Übel abzuhelfen, das heilsame Verzeichnis jener Bücher aufstellten, die eine unreine Lehre enthalten. Clemens XIII. glück. Ged. Unser Vorfahre, redet in seinem Rundschreiben von Verbannung schädlicher Bücher: «Es muß heftig gekämpft werden, wie es die Sache selbst fordert, um den todbringenden Schaden schlechter Bücher zu vertilgen: man kann dem Irrtum niemals die Nahrung entziehen, wenn die gedruckten gottlosen Schriften nicht in den Flammen ersterben». Aus dieser einstimmigen Sorgfalt, womit der hl. apostolische Stuhl zu allen Zeiten schädliche Bücher zu verdammen und sie den Händen der Menschen zu entreißen sich angelegen sein ließ, erhellt offenbar, wie falsch, verwegen den apostolischen Stuhl beleidigend, und dem christlichen Volke unheilbringend die Lehre jener Menschen sei, welche die Zensur nicht nur als hemmend und drückend verwerfen, sondern in ihrer Bosheit so weit gehen, daß sie behaupten, sie streite gegen die Grundsätze des Rechts, und sich erfrechen, der Kirche die Befugnis abzustreiten, eine Zensur aufzurichten und zu handhaben.
In den vielen Schriften, die unter das Volk ausgestreut werden, haben wir auch Lehren gefunden, durch welche die Treue und der Gehorsam gegen die Fürsten erschüttert, und die Fackel des Aufruhrs allseitig angefacht wird. Wir müssen demnach auf alle Weise vorbeugen, daß die Völker nicht irre geleitet werden, und vom richtigen Pfade abweichen. Merkwürdig für Alle ist die Ermahnung des Apostels: «Es gibt, sagt er, keine Macht, außer von Gott, und die Mächte, die da sind, sind von Gott verordnet; wer demnach sich einer Macht widersetzt, der widersetzt sich der Anordnung Gottes, und die sich widersetzen, ziehen die Verdammung selber über sich». Deswegen sprechen die göttlichen und menschlichen Rechte gegen die, welche durch die schändlichsten Umtriebe des Meineides und des Aufruhrs sich der Treue gegen die Fürsten zu entziehen, und sie selbst von ihren Thronen herabzustürzen sich bemühen.
Deshalb haben die ersten Christen, sich von dieser Schändlichkeit rein bewahrend, sich um die Kaiser und um das Wohl des Reichs, ungeachtet der wütigen Verfolgungen, verdient gemacht; indem sie alle Befehle, die nicht gegen die Religion stritten, mit völliger Treue, genau und hurtig vollzogen; ja, sie bewährten diese Treue selbst in den Feldschlachten durch ihre Standhaftigkeit und ihr vergossenes Blut. Der hl. Augustin sagt: «Die christlichen Soldatendienten dem ungläubigen Kaiser: betraf es aber die Sache Christi, da erkannten sie nur Jenen, der im Himmel ist. Sie machten einen Unterschied zwischen dem ewigen und zwischen dem zeitlichen Herrn; und dennoch waren sie dem zeitlichen Herrn untertan, des ewigen Herrn wegen». Dieses hatte der unüberwindliche Martyrer Mauritius, Anführer der thebanischen Legion, vor Augen, da er, wie der hl. Eucharius erzählt, dem Kaiser folgende Antwort erteilte: «Wir sind, o Kaiser, deine Soldaten, aber dennoch sind wir, wir bekennen es frei, auch Knechte Gottes... und jetzt soll uns selbst die äußerste Lebensgefahr nicht zum Aufruhr vermögen. Sieh, wir sind bewaffnet, aber wir ziehen vor, lieber zu sterben, als zu töten». Diese Treue der ersten Christen gegen die Fürsten erscheint um so herrlicher, wenn wir die Rede des Tertullian erwägen: «Hätten die Christen damals feindlich handelnwollen, sie wären zahlreich und mächtig genug gewesen. Wir sind, sagt er, erst von gestern, und alle eure Städte, Inseln, Schlösser, Burgen, Versammlungen, selbst eure Lager, Zünfte, der Palast, der Senat, das Forum sind von Christen angefüllt. „Wir wären gewiß, auch gegen eine überlegene Anzahl, rüstige Krieger, indem wir uns so leicht abschlachten lassen; allein nach unserer Lehre ist es besser, getötet werden, als töten. Wenn eine solche Menge Menschen sich von euch getrennt, und auf einen entfernten Strich Landes zurückgezogen hätte; wahrlich die Einbuße so vieler - was immer für - Bürger hätte eurer Herrlichkeit Schande gebracht; selbst unsere Entfernung wäre Strafe für euch gewesen. Ohne Zweifel würdet ihr über das Leere eures Reiches erschrocken sein... Ihr hättet Leute suchen müssen, die ihr hättet beherrschen können. Es wären euch mehr Feinde, als Bürger geblieben, da ihr hingegen der Menge der Christen wegen weniger Feinde habt».
Diese herrlichen Beispiele eines unerschütterten Gehorsames gegen die Fürsten, der sich aus den heiligsten Vorschriften der christlichen Religion ergibt, drückt das Brandmal der Verdammung auf jene verabscheuungswürdigen, trotzigen und schlechten Menschen, die alles anwenden, die Rechte der Fürsten zu schwächen und umzustoßen, und dem Volke unter Vorspiegelung der Freiheit das Sklavenjoch aufzulegen. Zum nämlichen Ziele hatten sich ehedem verschworen die Waldenser, Beguarden, Wiklesiten und andere derlei Kinder Belials, der Auswurf und die Schande des menschlichen Geschlechts, welche der apostolische Stuhl eben darum jederzeit mit Recht mit dem Anatem gebrandmarkt hat. Wahrlich haben auch unsere Verschwörer aus keiner andern Ursache alle ihre Kraft angewendet, als damit sie triumphierend mit Luther sich rühmen könnten: jetzt sind wir durchaus von Allem frei: und dieses Ziel zu erreichen, ergreifen sie mit Verwegenheit alle, auch die schändlichsten, Mittel.
Die Religion und die Fürsten dürfen ebenfalls nichts Besseres erwarten von den Absichten derjenigen, welche die Kirche vom Staate zu trennen und ihre gegenseitige Übereinstimmung aufzuheben trachten. Es ist offenbar, daß die unverschämten Freiheitsmänner eben diese Übereinstimmung fürchten, die jederzeit für die Religion sowohl als für den Staat so vorteilhaft und heilbringend war.
Zu den übrigen bittern Bekümmernissen über die allgemeine Gefahr kommt noch, was uns besonders schmerzt, daß sich gewisse Gesellschaften und Vereine bilden, wo sich Leute von verschiedenen, selbst offenbar falschen, Religionen und Bekenntnissen zusammentun, und zwar Anhänglichkeit an Religion heucheln, im Grunde aber, um den Aufruhr allseitig zu verbreiten, ungebundene Freiheit predigen, wodurch sie Geistliches und Weltliches in Verwirrung bringen, und jede gesetzmäßige Autorität zertrümmern.
Ehrwürdige Brüder! Wir schreiben Euch dieses zwar mit betrübtem Herzen, aber doch im Vertrauen auf Denjenigen, der den Stürmen gebietet und sie ebnet; Wir schreiben es, damit Ihr, angetan mit dem Schilde des Glaubens, den Kampf des Herrn mit Anstrengungkämpft. Euch steht es vorzüglich zu, Euch als eine Mauer hinzustellen gegen jede Macht, die sich gegen die Wissenschaft Gottes erheben will. Ergreifet das Schwert des Geistes, welches das Wort Gottes ist, und reichet das Brot denjenigen, die nach der Gerechtigkeit hungern. Ihr seid als emsige Arbeiter in den Weinberg des Herrn berufen; trachtet sonach einzig und arbeitet gemeinsam darauf hin, daß jede bittere Wurzel aus dem Euch anvertrauten Acker ausgerissen, und jeder Same des Lasters vernichtet werde, auf daß wieder eine gesegnete Ernte der Tugenden auf demselben aufkeimen möge. Besonders schließt diejenigen in eure väterlichen Arme, welche sich auf die heiligen Wissenschaften und auf die Philosophie verlegen; leget ihnen an das Herz und ermahnet sie, daß sie nicht, unkluger Weise sich auf die Kräfte ihrer Vernunft allein verlassend, vom Wege der Wahrheit abgleiten und auf die Pfade der Gottlosen sich verirren. Sie sollen sich erinnern: «Gott sei der Anführer zur Weisheit und der Zurechtweiser der Weisen», und daß es ohne Gott unmöglich sei, Gott kennen zu lernen, der uns durch Sein Wort zur Kenntnis Gottes führt. Nur stolze, oder besser unsinnige, Menschen können die Geheimnisse des Glaubens, die über alle unsere Vernunft erhaben sind, mit menschlichem Gewichte abwägen und ihr ganzes Zutrauen auf unsere Vernunft setzen wollen, die von Natur aus so schwach und unbehilflich ist.
Übrigens sollen die Fürsten, Unsere geliebtesten Söhne in Christo, diese unsere gemeinsamen Wünsche für die Religion und die Staaten durch ihren Beistand begünstigen und durch ihre Macht, die ihnen verliehen ist, nicht nur die Welt regieren, sondern vorzüglich die Kirche zu schützen. Sie sollen wohl überlegen, wie Alles, was sie zum Heile der Kirche unternehmen, gerade ihrer Macht und Sicherheit ganz besonders fromme. Es soll ihnen sogar die Sache des Glaubens mehr angelegen sein, als jene des Reiches; und sie sollen es für wichtig ansehen, wenn wir ihnen mit dem hl. Papste Leo zurufen: es sei etwas Grosses, wenn Gott zu ihrem Diadem auch noch die Krone des Glaubens hinzufüge. Sie sind als Väter und Beschützer der Völker aufgestellt, und können denselben nur alsdann eine wahre, standhafte und vollständige Ruhe und Sicherheit gewähren, wenn sie sich sorgfältig bestreben, die Religion und kindliche Furcht Gottes aufrecht zu halten, auf dessen Schoße geschrieben steht: Der König der Könige, und der Herr der Herrscher.
Damit aber alles dieses zu einem guten Ziele gedeihen möge, wollen Wir Unsere Augen und Hände zur heiligsten Jungfrau Maria erheben, als welche alle Ketzereien vernichtet, und auf die Wir Unser ganzes Zutrauen und alle Unsere Hoffnug setzen; sie wolle, bei dieser harten Bedrängnis der christlichen Herde, durch ihre Fürbitte für Unsere Gesinnungen, Ratschläge und Bemühungen einen glücklichen Ausgang erflehen. Das Nämliche erbitten Wir von dem Apostelfürsten Petrus und seinem Mitapostel Paulus, damit Ihr wie eine Mauer feststehet, auf daß kein anderes Fundament gelegt werde, außer jenem, das schon gelegt ist. In dieser freudigen Hoffnung vertrauen Wir auf Jesus Christus, den Urheber und Vollender Unseres Glaubens, er werde Uns endlich über alle die Trübsale, die so häufig Uns betroffen, Seine Tröstungen senden. Euch aber, ehrwürdige Brüder, und den Eurer Obsorge anvertrauten Schafen erteilen Wir mit voller Liebe den apostolischen Segen, als Vorboten der Hilfe von Oben.
Gegeben zu Rom bei der heiligen Maria Major, den 15. August, am Tage der glorreichen Himmelfahrt eben dieser seligen Jungfrau Maria, im Jahre 1832, und im zweiten Unseres Pontifikates.

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